Das genthiner amateurtheater bringt seit Jahrzehnten am Heiligabend Kinderaugen mit Märchen zum Leuchten. In diesem Jahr steht Aschenbrödel auf dem Programm.
Ein verzweifelter Hofnarr steht auf der Bühne: „Ach du liebe Zeit, ach du liebe Zeit. Was soll ich nur machen? Wenn ich den Prinzen in zehn Tagen nicht zum Lachen bringe, sperrt mich der König in das tiefe, dunkle Burgverlies ...“ Zugegeben, die Aufgabe ist angesichts der anstehenden arrangierten Heirat des Prinzen eine echte Herausforderung. Ob er das wohl schafft?
„Das erfahren Sie schon sehr bald bei uns“, sagt Jürgen Wagner, Vorsitzender des genthiner amateurtheaters e. V. (gat). Und zwar dann, wenn die ehrenamtlichen Schauspielenden pünktlich zum Advent „Aschenbrödel“ auf die Bühne bringen. „Wie jedes Jahr zur Weihnachtszeit gibt es bei uns ein Märchen. Und das seit mehr als einem halben Jahrhundert.“
DREI GENERATIONEN LAIENSCHAUSPIELER
Gegründet 1971, zählt der Verein heute 55 Mitglieder zwischen 8 und 83 Jahren. „Als mit der Wende immer weniger Leute zu unseren Theaterstücken kamen, sind wir kurzerhand zu ihnen gegangen. Wir haben auf Volks-und Straßenfesten sowie Märkten gespielt“, erzählt der Vereinschef. Der 72-jährige ehemalige Diplom-Ingenieur für Brandschutz ist seit 1976 dabei – zusammen mit seiner Frau Rita: „Als wir damals nach Genthin kamen und ich als Diplom-Ingenieurin für Anlagenbau im Waschmittelwerk anfing, wollte ich ursprünglich im Chor singen. Bis eine Kollegin meinte, dass es hier auch ein Amateurtheater gebe und dort händeringend Darsteller gesucht würden. Weil ich aber niemanden kannte, musste mein Mann zur ersten Probe mitkommen. Und so haben wir beide noch im selben Jahr das erste Mal auf der Bühne gestanden und ,Tischlein deck dich‘ gespielt.“ Ihre Lieblingsrolle in all den Jahren? „Königin und Prinzessin war ich nie, dafür aber oft die Hexe“, lacht sie. Zum Beispiel die Hexe Pimpernelle aus „Der falsche Weihnachtsmann“, einem modernen Märchen. „Sogar Chefhexe durfte ich mal sein.“ Inzwischen agiert sie vorrangig hinter der Bühne – als Souffleuse und Maskenbildnerin.
EINMAL HEILIGABEND, IMMER HEILIGABEND
Wie der Heiligabend auf den gat-Spielplan gerückt ist, berichtet Eckard Neumann. Der 83-jährige ehemalige Lehrer gehört zu den Mitgründern des Amateurtheaters und steht selbst schon seit Kindergartentagen leidenschaftlich gern auf der Bühne. „Als wir 1971 nach einem Premierentermin für unsere Märchenrevue suchten, fanden wir beim besten Willen kein gemeinsames Datum für alle zwölf beteiligten Laienschauspieler. Meine spontane Reaktion: Dann müssen wir eben Heiligabend spielen, da haben alle Zeit.“ Gesagt, getan. „Diese Aufführung war ein riesiger Erfolg. Also haben wir das bis heute beibehalten.“
THEATER? COOLE SACHE!
„Geprobt wird bis zu viermal pro Woche“, sagt Vereinschef Wagner und erklärt dazu: „Da wir das Stadtkulturhaus in Genthin für die Proben nicht mehr nutzen konnten, mussten wir uns etwas einfallen lassen und haben uns in eine private Immobilie eingemietet. Dort konnten wir uns vor zwei Jahren mit Unterstützung durch Fördermittel vom Landesheimatbund einen Probenraum einrichten.“ Auf die „richtige“ Bühne gehe es dann erstmalig zur Generalprobe beziehungsweise Premiere.
Geprobt wird abschnittsweise. Heute sind zuerst die Tauben und der Hofnarr dran, anschließend folgen Hofmarschall und Prinz. Taube Nina (13) und Taube Jara (8) schwärmen, dass Theaterspielen eine coole Sache ist. „Hier können wir Dinge sagen und machen, die wir sonst nicht machen.“ Das bestätigt auch Hofnarr Phillipp Hahnke, der im echten Leben als Pflegeassistenz bei der AWO tätig ist: „Auf der Bühne schlüpfe ich in verschiedene Rollen und kann dabei Facetten von mir zeigen, die ich sonst nicht zeigen würde.“ Für Erzieherin Alicia Haack (27) bedeutet Theaterspielen, über sich selbst hinauszuwachsen und dabei weiterzuentwickeln. „Das ist ein schönes Gefühl, wenn es gelingt, mich darauf einzulassen. Und wenn du dann noch das Glück hast, dass das, was du da tust, gut ankommt und mit Applaus belohnt wird – perfekt!“ Dafür nutzt sie gern fast ihre gesamte Freizeit sowie etliche Wochenenden im Jahr.
SINNVOLLE BESCHÄFTIGUNG
Und was ist der Lohn für alles? Rita Wagner klärt auf: „Durch das Mitmachen im gat bieten wir Kindern eine erfüllende Freizeitbeschäftigung und Erwachsenen ein sinnvolles Ehrenamt. Aus unserer Gemeinschaft schöpfen wir Kraft und Selbstvertrauen. Und wir können unsere Welt hier in und um Genthin mit dem, was wir tun, auf jeden Fall ein bisschen färben. Mit Emotionen, mit Leidenschaft, mit Gemeinsinn, sodass jeder etwas für sich mitnehmen kann. Als Akteur auf der Bühne und genauso als Zuschauer.“ Zurück zum Prinzen. Als er Aschenbrödel begegnet, ändert sich seine Stimmung, er kann wieder lachen. Der Hofnarr hat es geschafft! Jürgen Wagner sagt: „Zum Glück siegt im Märchen immer das Gute, und das ist Hoffnung pur.“
TERMINE
Letzte Vorstellung: 6. Januar 2025, Aula Uhlandschule Genthin.
Tickets sind über die Touristeninformation Genthin erhältlich.
Weitere Informationen gibt es in der Touristinfo Genthin.